Trends in der Vergabe von Pflegegraden – Ein Blick in die Zukunft der Pflege

Seit der Ein­füh­rung der Pfle­ge­gra­de im Jahr 2017 hat sich die Land­schaft der Pfle­ge­be­gut­ach­tung in Deutsch­land stark ver­än­dert. Der aktu­el­le BARMER Pfle­ge­re­port 2024 lie­fert wert­vol­le Ein­bli­cke in die aktu­el­len Trends bei der Ver­ga­be von Pfle­ge­gra­den und ver­deut­licht, wie sich die Pfle­ge­be­dürf­tig­keit in der Bevöl­ke­rung wei­ter­ent­wi­ckelt. Doch was bedeu­ten die­se Ent­wick­lun­gen für Betrof­fe­ne, Pfle­ge­ein­rich­tun­gen und die sozia­le Pflegeversicherung?

Stei­gen­de Pfle­ge­be­dürf­tig­keit in nied­ri­gen Pfle­ge­gra­den
Eine der auf­fäl­ligs­ten Ent­wick­lun­gen ist der star­ke Anstieg von Begut­ach­tun­gen mit Pfle­ge­grad 1. Laut dem Report wur­den 2023 ins­ge­samt 376.000 Men­schen erst­mals mit Pfle­ge­grad 1 ein­ge­stuft – ein Anstieg von fast 47 % im Ver­gleich zu 2017. Die­se Zunah­me spie­gelt den wach­sen­den Anteil von Men­schen wider, die zwar einen gerin­gen Unter­stüt­zungs­be­darf haben, aber den­noch auf Ent­las­tungs­leis­tun­gen ange­wie­sen sind. Beson­ders bemer­kens­wert ist, dass die­se Grup­pe oft kei­ne umfas­sen­den Sach- oder Pfle­ge­geld­leis­tun­gen in Anspruch nimmt, son­dern eher Unter­stüt­zung bei all­täg­li­chen Auf­ga­ben benötigt.

Par­al­lel dazu sind auch die Begut­ach­tun­gen mit Pfle­ge­grad 2 deut­lich gestie­gen, wäh­rend die Ver­ga­be höhe­rer Pfle­ge­gra­de (3 bis 5) weit­ge­hend sta­bil geblie­ben oder sogar leicht rück­läu­fig ist. Dies deu­tet dar­auf hin, dass immer mehr Men­schen bereits in einem frü­hen Sta­di­um ihrer Pfle­ge­be­dürf­tig­keit erfasst wer­den, bevor schwer­wie­gen­de­re Ein­schrän­kun­gen auftreten.

Ver­än­der­te Begut­ach­tungs­prak­ti­ken
Ein wei­te­rer Trend zeigt sich in der ins­ge­samt wach­sen­den Zahl an Begut­ach­tun­gen. Wäh­rend 2017 rund 2 Mil­lio­nen Gut­ach­ten durch­ge­führt wur­den, waren es 2023 bereits 2,9 Mil­lio­nen – ein Anstieg um 45 %. Der Anteil der Erst­be­gut­ach­tun­gen ist dabei rela­tiv kon­stant geblie­ben, aber die Zahl der Wie­der­ho­lungs- und Höher­stu­fungs­gut­ach­ten hat signi­fi­kant zuge­nom­men. Dies ist eine direk­te Fol­ge der län­ge­ren Pfle­ge­zei­ten und der Mög­lich­keit, bei zuneh­men­dem Pfle­ge­be­darf eine Höher­stu­fung zu beantragen.

Auch der Anteil der Gut­ach­ten, die mit einem nega­ti­ven Bescheid (kei­ne Ein­stu­fung) enden, ist im Ver­gleich zu den Anfangs­jah­ren gesun­ken. Dies zeigt, dass sich die Kri­te­ri­en für die Aner­ken­nung von Pfle­ge­be­dürf­tig­keit eta­bliert haben und die Ein­schät­zung der Gut­ach­ter stär­ker auf die indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­se der Betrof­fe­nen aus­ge­rich­tet ist.

Regio­na­le Unter­schie­de in der Pfle­ge­grad­ver­ga­be
Inter­es­sant ist auch, dass die Ver­ga­be von Pfle­ge­gra­den regio­nal stark vari­iert. In ost­deut­schen Bun­des­län­dern wie Sach­sen und Sach­sen-Anhalt sind die Antei­le von Pfle­ge­be­dürf­ti­gen mit nied­ri­ge­ren Pfle­ge­gra­den höher als in west­deut­schen Bun­des­län­dern. Dies liegt teils an den demo­gra­fi­schen Struk­tu­ren, aber auch an Unter­schie­den in der Inan­spruch­nah­me von Unterstützungsangeboten.

Her­aus­for­de­run­gen für das Pfle­ge­sys­tem
Die stei­gen­den Fall­zah­len in den nied­ri­ge­ren Pfle­ge­gra­den sind ein zwei­schnei­di­ges Schwert. Einer­seits ermög­li­chen sie eine früh­zei­ti­ge Unter­stüt­zung, die den Pfle­ge­be­darf lang­fris­tig redu­zie­ren kann. Ande­rer­seits belas­ten sie die sozia­le Pfle­ge­ver­si­che­rung erheb­lich. Der BARMER Pfle­ge­re­port zeigt, dass die Aus­ga­ben für Pfle­ge­leis­tun­gen in den ver­gan­ge­nen Jah­ren um 50 % gestie­gen sind – ein Groß­teil davon ent­fällt auf die neu­en Pflegegrade.

Fazit: Ein dyna­mi­sches Sys­tem mit Reform­be­darf
Die Trends in der Ver­ga­be von Pfle­ge­gra­den zei­gen, dass das deut­sche Pfle­ge­sys­tem zuneh­mend fle­xi­bler und indi­vi­du­el­ler auf die Bedürf­nis­se der Men­schen reagiert. Gleich­zei­tig ver­deut­li­chen sie den Reform­druck, der auf der Poli­tik las­tet. Um die sozia­le Pfle­ge­ver­si­che­rung nach­hal­tig zu ent­las­ten, bedarf es nicht nur finan­zi­el­ler Anpas­sun­gen, son­dern auch bes­se­rer Prä­ven­ti­ons­an­ge­bo­te und einer stär­ke­ren Ein­bin­dung ambu­lan­ter Versorgungsmodelle.

Für Pfle­ge­be­dürf­ti­ge und ihre Ange­hö­ri­gen bleibt jedoch ent­schei­dend, dass die Pfle­ge­gra­de ihre Funk­ti­on als Unter­stüt­zungs­sys­tem erfül­len und ihnen ein wür­di­ges Leben ermög­li­chen – egal, in wel­chem Grad der Pfle­ge­be­dürf­tig­keit sie sich befinden.

Quel­le: https://www.barmer.de/resource/blob/1290386/a0b24e6f4091295958679675fee5ca52/dl-pflegereport-2024-data.pdf

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