Rechtliche Ansprüche bei Pflegebedürftigkeit von Kindern in Deutschland
Pflegebedürftigkeit von Kindern bedeutet, dass ein Kind aufgrund von Krankheit oder Behinderung dauerhaft in erheblichem Maße auf Hilfe angewiesen ist. Anders als bei Senioren stellen sich bei pflegebedürftigen Kindern oft ganz eigene Herausforderungen im Familienalltag. Nachfolgend finden Sie einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Ansprüche und Unterstützungsmöglichkeiten für Familien mit pflegebedürftigen Kindern – von der Einstufung in Pflegegrade bis zu finanziellen Leistungen und Beratungsangeboten.
Pflegegrade und Besonderheiten bei Kindern
Die Einstufung eines Kindes in einen Pflegegrad erfolgt durch den Medizinischen Dienst (MD) anhand eines Gutachtens. Dabei werden die Fähigkeiten des Kindes immer mit denen eines gesunden gleichaltrigen Kindes verglichen. Besonderheit für Babys und Kleinkinder: Kinder bis zum 18. Lebensmonat erhalten pauschal einen Pflegegrad höher zugesprochen als bei der Begutachtung ermittelt. Dies liegt daran, dass Babys naturgemäß in allen Alltagsbereichen unselbstständig sind. So stellt man sicher, dass der erhöhte Pflegeaufwand angemessen berücksichtigt wird. Ab dem 19. Lebensmonat gilt dann die reguläre Einstufung (ohne erneute Begutachtung) und ab dem 11. Geburtstag werden Kinder wie Erwachsene beurteilt.
Die Gutachterinnen und Gutachter sind für Kinder besonders geschult – häufig sind es Kinderärzte oder Kinderkrankenpfleger. Sie achten darauf, wie stark die Selbstständigkeit des Kindes im Vergleich zu Gleichaltrigen eingeschränkt ist. Bei Säuglingen bis 18 Monate fließen z.B. nur bestimmte Bereiche in die Bewertung ein (etwa Verhalten, psychische Probleme und krankheitsbedingte Anforderungen), da in allen anderen Bereichen alle Babys Hilfe brauchen. So wird trotz des jungen Alters ein passender Pflegegrad ermittelt. Generell gibt es fünf Pflegegrade (PG 1 bis PG 5), wobei PG 1 die geringsten Beeinträchtigungen bedeutet und PG 5 die schwersten. Wird ein Pflegegrad bewilligt, entscheidet dieser über den Umfang der möglichen Leistungen.
Leistungen der Pflegeversicherung für Kinder
Kinder mit Pflegegrad haben Anspruch auf dieselben Leistungen aus der Pflegeversicherung wie Erwachsene, und zwar in gleicher Höhe. Voraussetzung ist mindestens Pflegegrad 2 – denn erst ab PG 2 gibt es die Kernleistungen der Pflegeversicherung (Pflegegrad 1 umfasst nur geringe Basisleistungen). Eltern können ab Pflegegrad 2 wählen, welche Leistungen sie in Anspruch nehmen möchten:
- Pflegegeld: Monatliche Geldleistung, wenn die Pflege zu Hause selbst organisiert wird (z.B. durch Eltern oder Angehörige). Das Pflegegeld kann frei verwendet werden, um den Pflegealltag zu erleichtern. Die Höhe richtet sich nach dem Pflegegrad – beispielsweise rund 347 Euro monatlich bei Pflegegrad 2 und bis zu etwa 990 Euro bei Pflegegrad 5 (Stand 2025). Dieses Geld wird an die pflegebedürftige Person (bzw. ihre Vertretung) ausgezahlt.
- Pflegesachleistungen: Budget für professionelle ambulante Pflegedienste, die zu Hause Pflege, Betreuung oder Hilfe im Haushalt erbringen. Die Pflegekasse rechnet hierbei direkt mit dem Pflegedienst ab. Je nach Pflegegrad stehen dafür bis zu 796 Euro (PG 2), 1.497 Euro (PG 3), 1.859 Euro (PG 4) oder 2.299 Euro (PG 5) pro Monat zur Verfügung. Eltern können also einen Kinder-Pflegedienst engagieren, was besonders bei intensivpflegebedürftigen Kindern hilfreich ist.
- Kombinationsleistung: Es ist auch möglich, Pflegesachleistungen und Pflegegeld zu kombinieren, wenn ein Teil der Pflege durch einen Dienst und ein Teil durch Angehörige übernommen wird. In diesem Fall wird das anteilige Pflegegeld ausgezahlt, das dem nicht verbrauchten Sachleistungsbetrag entspricht.
- Entlastungsbetrag: Zusätzlich erhalten alle Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 1 einen zweckgebundenen Entlastungsbetrag von monatlich 125 Euro (seit 2025: 131 Euro). Dieser Betrag kann z.B. für anerkannte Unterstützungsangebote im Alltag genutzt werden – etwa eine Familienhilfe, Alltagsbegleiter, haushaltsnahe Dienstleistungen oder Betreuungsangebote, die Eltern zeitweise entlasten.
- Verhinderungspflege: Wenn die Hauptpflegeperson (z.B. ein Elternteil) vorübergehend verhindert ist – etwa durch Urlaub oder Krankheit – springt die Pflegeversicherung für die Ersatzpflege ein. Bis zu 6 Wochen pro Jahr werden die nachgewiesenen Kosten einer Ersatzpflege übernommen (z.B. durch einen Pflegedienst oder eine andere Betreuungsperson). Voraussetzung ist, dass das Kind mindestens Pflegegrad 2 hat und bereits 6 Monate zu Hause gepflegt wurde. Für die Verhinderungspflege stehen bis zu 1.685 Euro pro Jahr zur Verfügung. Wird die Vertretung durch nahe Angehörige unentgeltlich übernommen, dürfen die Kosten grundsätzlich dem 1,5‑fachen Pflegegeld des Kindes entsprechen. Während der Ersatzpflege zahlt die Kasse weiterhin die Hälfte des bisherigen Pflegegeldes an die Familie weiter (für bis zu 6 Wochen im Jahr).
- Kurzzeitpflege: Kann die Pflege zeitweise zu Hause nicht sichergestellt werden – z.B. in Krisensituationen oder direkt nach einem Krankenhausaufenthalt – gibt es die Kurzzeitpflege. Das Kind wird dann vorübergehend in einer dafür zugelassenen Pflegeeinrichtung betreut. Diese Leistung steht ab Pflegegrad 2 für maximal 8 Wochen pro Jahr zur Verfügung. Die Pflegeversicherung übernimmt dafür bis zu 1.854 Euro pro Jahr (einheitlich für PG 2–5). Auch während der Kurzzeitpflege wird das hälftige Pflegegeld bis zu 8 Wochen weitergezahlt. Hinweis: Pflegebedürftige mit PG 1 können die Kurzzeitpflege nicht regulär nutzen, aber ihnen kann der angesparte Entlastungsbetrag (125 Euro/Monat) dafür eingesetzt werden. Unverbrauchte Mittel der Verhinderungspflege dürfen übrigens komplett auf die Kurzzeitpflege übertragen werden (maximal erhöhter Betrag dann 3.539 € jährlich).
- Weitere Leistungen: Die Pflegeversicherung bietet darüber hinaus z.B. Teilstationäre Tages- und Nachtpflege (Betreuung in einer Tagespflegeeinrichtung neben der häuslichen Pflege), Versorgung mit Pflegehilfsmitteln (etwa Pflegebett, Lagerungshilfen oder zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel wie Einmalhandschuhe) sowie Zuschüsse zur Wohnraumanpassung (bis zu 4.000 € pro Maßnahme), falls z.B. das Zuhause kindgerecht pflegegerechter umgebaut werden muss. Auch Beratungsbesuche durch Pflegedienste (zur Qualitätssicherung und fachlichen Unterstützung) gehören ab Pflegegrad 2 zu den Leistungen – diese sind für Eltern, die Pflegegeld beziehen, verpflichtend (meist halbjährlich), aber dienen zugleich der Hilfe und Beratung.
Wichtig: Die genannten Leistungen können individuell kombiniert werden, je nachdem was für das Kind und die Familie passt. So kann beispielsweise ein Teil des Budgets für einen Pflegedienst genutzt werden, während zusätzlich Pflegegeld für die von den Eltern übernommenen Pflegetätigkeiten bezogen wird.
Pflegebedürftige Kinder werden meist liebevoll zuhause von der Familie versorgt. Die Pflegeversicherung unterstützt dabei mit Geldleistungen, Pflegediensten und vielfältigen Hilfsangeboten.
Besondere Unterstützungsangebote für Familien
Die Pflegeversicherung deckt die Grundversorgung und Entlastung ab. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Hilfen für Familien mit pflegebedürftigen Kindern – von der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bis zu finanziellen Nachteilsausgleichen.
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf (Pflegezeitregelungen)
Eltern oder nahe Angehörige, die berufstätig sind und ein pflegebedürftiges Kind betreuen, haben Anspruch auf bestimmte Freistellungen im Job:
- Kurzzeitige Arbeitsverhinderung: Tritt akut ein Pflegefall ein (z.B. das Kind wird plötzlich pflegebedürftig), dürfen Arbeitnehmer bis zu 10 Arbeitstage der Arbeit fernbleiben, um die Pflege zu organisieren. In dieser Zeit zahlt die Pflegekasse ein Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatz, etwa in Höhe von 90 % des Nettoverdienstes (ähnlich dem Kinderkrankengeld). Diese kurze Auszeit hilft, wichtige erste Schritte einzuleiten – etwa Anträge zu stellen, eine Versorgung zu organisieren und die weitere Betreuung zu planen.
- Pflegezeit: Für längerfristige Pflegesituationen können Arbeitnehmende bis zu 6 Monate vollständig oder teilweise (ohne Mindestarbeitszeit) von der Arbeit freigestellt werden, um ihr Kind zuhause zu pflegen. Der Anspruch besteht, wenn das Kind (oder der nahestehende pflegebedürftige Angehörige) mindestens Pflegegrad 1 hat. Während der Pflegezeit besteht Kündigungsschutz. Die Pflegezeit ist unbezahlt, aber zur finanziellen Überbrückung kann ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) beantragt werden. Außerdem wird während der Freistellung die Sozialversicherung unter bestimmten Voraussetzungen weitergeführt. Diese Regelungen sind im Pflegezeitgesetz verankert.
- Familienpflegezeit: Ergänzend gibt es die Möglichkeit, bis zu 24 Monate teilweise aus dem Beruf auszusteigen (mindestens 15 Wochenstunden müssen weiter gearbeitet werden). Auch dies steht pflegenden Eltern zu, um die Betreuung eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen sicherzustellen – auch bei minderjährigen pflegebedürftigen Kindern, ggf. sogar wenn diese außer Haus (z.B. in einer Einrichtung) betreut werden. In Kombination mit der Pflegezeit darf die Gesamtfreistellung pro pflegebedürftiger Person maximal 24 Monate betragen. Für die Familienpflegezeit (geregelt im Familienpflegezeitgesetz) kann ebenfalls ein zinsloses staatliches Darlehen zur Einkommensabsicherung in Anspruch genommen werden.
Die genannten Freistellungsansprüche gelten für Beschäftigte in Unternehmen mit in der Regel mehr als 15 bzw. 25 Beschäftigten (Pflegezeit: >15 Mitarbeiter; Familienpflegezeit: >25 Mitarbeiter, wobei Azubis nicht zählen). In kleinen Betrieben gibt es keinen Rechtsanspruch, aber individuelle Lösungen können oft mit dem Arbeitgeber vereinbart werden. Wichtig ist, dass solche Freistellungen spätestens 8 Wochen vorher beim Arbeitgeber schriftlich angekündigt werden müssen, bei der 10-Tage-Auszeit genügt eine kurzfristige Information.
Finanzielle Hilfen: Kindergeld, Kinderzuschlag & Co.
- Kindergeld bei Behinderung: Für alle Kinder wird grundsätzlich bis zum 18. Lebensjahr Kindergeld gezahlt, bei Ausbildung/Studium bis 25. Bei Kindern mit Behinderung gibt es eine Sonderregel: Ohne Altersgrenze wird Kindergeld weitergezahlt, solange das Kind wegen der Behinderung nicht selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann. Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor dem 25. Geburtstag eingetreten ist (bzw. vor dem 27. Geburtstag bei Geburtsjahrgängen bis 1981). Das bedeutet, Eltern von erwachsenen Kindern mit Schwerbehinderung erhalten das Kindergeld (ab 2025 einheitlich 255 € pro Monat) auch über das 25. Lebensjahr hinaus auf unbestimmte Zeit. Wichtig ist, dass Einkommen oder Vermögen des erwachsenen Kindes unterhalb bestimmter Grenzen liegt, damit der Unterhaltsbedarf nicht selbst gedeckt werden kann. Zuständig ist in solchen Fällen eine spezielle Stelle der Familienkasse (Zentraler Kindergeldservice).
- Kinderzuschlag für Familien mit geringem Einkommen: Familien, die zwar kein Sozialhilfe- oder Bürgergeldniveau haben, aber mit ihrem Einkommen nur knapp den Bedarf ihrer Familie decken können, haben Anspruch auf den Kinderzuschlag (KiZ). Dies ist eine zusätzliche Zahlung von bis zu 297 € pro Monat pro Kind (Stand 2025). Zusammen mit dem Kindergeld soll der Kinderzuschlag den finanziellen Bedarf des Kindes abdecken. Voraussetzung ist unter anderem ein Mindesteinkommen der Eltern (z.B. mindestens 900 € Brutto für Paare) und dass man durch KiZ und ggf. Wohngeld den Lebensunterhalt bestreiten kann. Familien, die den Höchstsatz KiZ erhalten, können somit über 3.500 € im Jahr zusätzlich bekommen. Der Kinderzuschlag wird bei der Familienkasse beantragt und kann für jedes Kind unter 25 Jahren gezahlt werden, für das Kindergeld berechtigt ist. Tipp: Wer KiZ bezieht, hat auch Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe (z.B. Zuschüsse zu Klassenfahrten, Sportverein, Schulbedarf) und ggf. Befreiung von KiTa-Gebühren.
- Leistungen der Eingliederungshilfe (Teilhabe): Neben Pflege- und Krankenkasse gibt es für Kinder mit (Schwer-)Behinderung vielfältige Teilhabeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch IX. Diese zielen darauf ab, Behinderungsauswirkungen auszugleichen und die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Beispiele sind: Unterstützung bei der frühkindlichen Förderung, eine Integrationskraft bzw. Schulbegleitung in Kindergarten oder Schule, Hilfsmittel zur Kommunikation oder Mobilität, Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation, assistive Technologien, Mobilitätshilfen oder persönliches Budget für Assistenzleistungen. Auch Eingliederungshilfe-Leistungen zur sozialen Teilhabe (Freizeit, inklusives Wohnen etc.) und beruflichen Teilhabe im Übergang zum Erwachsenenleben fallen darunter. Diese Leistungen werden je nach Lebensbereich von unterschiedlichen Trägern gewährt (z.B. Sozialamt, Jugendamt oder Integrationsamt). Wichtig: Eltern sollten frühzeitig prüfen, welche Ergänzungen zur Pflegeversicherung möglich sind. Kinder haben z.B. Anspruch auf vorbeugende Teilhabeleistungen, wenn eine Behinderung droht (ärztlich prognostiziert), um Einschränkungen möglichst abzuwenden. Viele Familien kombinieren Leistungen aus Pflegeversicherung, Krankenversicherung und Eingliederungshilfe, um eine optimale Förderung und Betreuung ihres Kindes sicherzustellen. Auf Wunsch kann ein Persönliches Budget beantragt werden, bei dem anstelle von Sachleistungen ein Geldbetrag gewährt wird, mit dem die Familie benötigte Hilfen selbst organisieren kann.
- Steuerliche Erleichterungen: Eltern von Kindern mit Behinderung können diverse Nachteilsausgleiche steuerlicher Art nutzen. Zentral ist der Behinderten-Pauschbetrag: Ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 20 gibt es einen pauschalen Jahresbetrag (zwischen 384 € bei GdB 20 bis 2.840 € bei GdB 100, je nach Grad gestaffelt). Bei Merkzeichen „H“ (hilflos), „Bl“ (blind) oder „Tbl“ (taubblind) im Schwerbehindertenausweis gilt sogar der höchste Pauschbetrag von 7.400 € jährlich. Dieser Pauschbetrag soll die typischen Mehrkosten im Alltag abdecken (Pflege, Fahrten, Hygiene, Mehraufwand etc.), ohne dass jede Quittung einzeln nachgewiesen werden muss. Eltern können den Behinderten-Pauschbetrag ihres Kindes auf sich übertragen lassen, wenn das Kind selbst keine oder nur geringe Einkünfte hat. Alternativ können natürlich auch außergewöhnliche Belastungen (Einzelkosten) geltend gemacht werden, soweit sie die zumutbare Eigenbelastung übersteigen. Zusätzlich gibt es den Pflege-Pauschbetrag für pflegende Angehörige. Wenn Eltern ihr Kind mit mindestens Pflegegrad 2 (oder Merkzeichen „H“) zu Hause selbst pflegen, können sie jährlich 600 € bis 1.800 € als Pflege-Pauschbetrag von der Steuer absetzen – und zwar zusätzlich zum Behinderten-Pauschbetrag des Kindes. Die Höhe hängt vom Pflegegrad ab (PG 2: 600 €, PG 3: 1.100 €, PG 4/5: 1.800 €). Voraussetzungen: Das Kind wird im eigenen Haushalt gepflegt und es wird kein Pflegegeld oder ähnliches Entgelt dafür bezogen (das Pflegegeld der Pflegeversicherung an das Kind zählt hierbei nicht als Entgelt). Pflegen mehrere Angehörige gemeinsam, wird der Pauschbetrag aufgeteilt; bei Pflege mehrerer Kinder kann er entsprechend kumuliert werden. Zu den steuerlichen Nachteilsausgleichen zählen auch weitere Erleichterungen: So können z.B. unter bestimmten Bedingungen Fahrtkosten abgesetzt werden oder haushaltsnahe Dienstleistungen/Pflegekosten als Steuerermäßigung geltend gemacht werden (wenn nicht bereits Pauschbeträge genutzt werden). Familien können zudem eine befristete Befreiung von der Kfz-Steuer beantragen, wenn ein Fahrzeug auf das Kind mit Schwerbehindertenausweis zugelassen ist und überwiegend für dessen Transport genutzt wird. Auch die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr bzw. Ermäßigungen im Fernverkehr sind mit den Merkzeichen „G“, „aG“, „Bl“ oder „H“ im Ausweis möglich. Diese sogenannten Nachteilsausgleiche sollen die zusätzlichen Belastungen von Familien mit behinderten Kindern zumindest finanziell ausgleichen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
Die wichtigsten Gesetze, die Leistungen und Rechte rund um die Pflegebedürftigkeit von Kindern regeln, sind:
- Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) – Pflegeversicherungsgesetz: Hier sind sämtliche Leistungen der Pflegeversicherung definiert (Pflegegrad-Einstufung, Pflegegeld, Sachleistungen, Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege, Pflegeberatung etc.). Die genannten Ansprüche auf Pflegeleistungen basieren auf SGB XI.
- Sozialgesetzbuch V (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung: Es regelt z.B. häusliche Krankenpflege (medizinische Behandlungspflege zu Hause), Leistungen bei Krankheit, aber auch das Kinderpflege-Krankengeld (bei kurzzeitiger Erkrankung eines Kindes bis 12 J. haben Eltern pro Jahr Anspruch auf bezahlte Freistellung – 2025 sind es 15 Tage je Elternteil). Wenn ein nicht (oder noch nicht) pflegebedürftiges Kind nach einem Krankenhausaufenthalt Übergangsversorgung braucht, kann SGB V eine Kurzzeitpflege bis zu 8 Wochen übernehmen. SGB V und SGB XI greifen oft ineinander – z.B. übernimmt die Krankenkasse die Kosten für notwendige medizinische Behandlungsmaßnahmen, die Pflegekasse die Grundpflege und alltägliche Unterstützung.
- Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen: Hier sind die Teilhabeleistungen und Eingliederungshilfen verankert, die für Kinder mit Behinderung eine große Rolle spielen (Integrationshelfer, Hilfsmittel, Frühförderung, Nachteilsausgleiche, persönliches Budget etc.). Seit Einführung des Bundesteilhabegesetzes fallen viele Hilfen für Kinder mit Behinderung unter SGB IX, ausgeführt oft durch Jugendämter oder Sozialämter. Auch die Kriterien für einen Schwerbehindertenausweis und zugehörige Nachteilsausgleiche (Merkzeichen, GdB) stehen im SGB IX.
- Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und Familienpflegezeitgesetz (FPfZG): Diese Gesetze regeln die oben beschriebenen Freistellungsansprüche für pflegende Angehörige (10-Tage-Auszeit, bis zu 6 Monate Pflegezeit, bis zu 24 Monate Familienpflegezeit) samt Kündigungsschutz. Sie definieren auch „nahe Angehörige“ (wer überhaupt freinehmen darf – neben Eltern z.B. Großeltern, Geschwister, Schwiegereltern etc. gehören dazu). Im PflegeZG ist auch das Pflegeunterstützungsgeld für die Kurzzeitpflege geregelt.
- Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe: Für pflegebedürftige Kinder insbesondere mit (drohender) Behinderung kann das Jugendamt Unterstützung leisten, z.B. im Rahmen der Frühförderung (frühe Hilfen für behinderte Kleinkinder) oder in Einzelfällen Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder. Allerdings wurden diese Leistungen weitgehend ins SGB IX überführt. Jugendämter bleiben aber wichtige Ansprechpartner, wenn es um Integration in Kita/Schule oder familienunterstützende Dienste geht.
Natürlich gibt es noch weitere Rechtsgrundlagen (z.B. im Steuerrecht für Pauschbeträge, im Arbeitsrecht für besondere Kündigungsschutzregelungen etc.), doch die obigen Gesetzeswerke sind die zentralen Säulen.
Anlaufstellen und Beratungsangebote
Für Familien mit pflegebedürftigen Kindern ist es oft schwer, den Überblick über alle Hilfen und Leistungen zu behalten. Zum Glück gibt es zahlreiche Beratungsstellen und Anlaufstellen, die unterstützen:
- Pflegekassen und Pflegeberatung: Sobald ein Pflegeantrag gestellt ist oder ein Pflegegrad bewilligt wurde, hat die Familie Anspruch auf kostenlose Pflegeberatung durch einen Pflegeberater der Pflegekasse. Die Pflegeberater kennen sich im Pflege- und Sozialrecht gut aus und helfen individuell, einen Versorgungsplan zu erstellen. Die Beratung kann auf Wunsch auch zu Hause stattfinden. Alternativ kann man auch einen Beratungsgutschein einlösen und eine neutrale Beratungsstelle aufsuchen. Viele Pflegekassen haben spezielle Beratungsangebote für Familien mit Kindern, teilweise mit Kinder-Case-Management (z.B. geschulte Fachkräfte, die Hausbesuche machen und bei der Koordination der Hilfen helfen). Fragen Sie bei Ihrer Pflegekasse nach dem zuständigen Pflegeberater.
- Pflegestützpunkte: In vielen Regionen gibt es Pflegestützpunkte – gemeinsame Anlaufstellen der Pflegekassen und Sozialträger. Dort erhält man umfassende neutrale Beratung rund um Pflege, medizinische und soziale Hilfen aus einer Hand. Pflegestützpunkte vernetzen verschiedene Angebote und können helfen, lokale Unterstützungsdienste oder Selbsthilfegruppen zu finden. Sie beraten alle Altersgruppen, also auch zu pflegebedürftigen Kindern. Die nächste Anlaufstelle erfährt man über die Kommune oder die eigene Kasse.
- Familienberatung und Frühförderstellen: Gerade für kleine Kinder mit Behinderung gibt es Frühförderstellen, die nicht nur Therapien anbieten, sondern Eltern auch zu sozialen Leistungen beraten können. Interdisziplinäre Frühförderstellen oder Sozialpädiatrische Zentren (SPZ) begleiten Familien in den ersten Lebensjahren des Kindes und wissen oft über Pflegegrade, Eingliederungshilfen und behördliche Anträge Bescheid. Auch allgemeine Familienberatungsstellen oder Erziehungsberatungsstellen können Anlaufpunkte sein, wenn es um die psychische Belastung oder Geschwisterkinder geht – sie kennen im Idealfall ebenfalls die spezifischen Unterstützungssysteme.
- Selbsthilfe- und Elternverbände: Der Austausch mit anderen Eltern in ähnlicher Lage kann sehr hilfreich sein. Es gibt Vereine und Verbände, die sich auf Familien mit behinderten oder schwer kranken Kindern spezialisiert haben. Beispiele: Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (BVKM), Bundesvereinigung Lebenshilfe (für Menschen mit geistiger Behinderung), Deutscher Kinderhospizverein (für Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern) oder Elterninitiativen zu bestimmten Krankheitsbildern. Solche Organisationen bieten oft Beratung, Austauschforen, Familienentlastungsangebote oder Freizeiten an. Sie können auch bei Anträgen helfen oder Rechtsberatung vermitteln. Der BVKM beispielsweise stellt die sehr informative Broschüre „Mein Kind ist behindert – diese Hilfen gibt es“ bereit, die einen ausführlichen Überblick über alle relevanten Leistungen und Rechte gibt. Auch die Aktion Mensch Familienratgeber (ein Online-Portal) bündelt Informationen und Adressen.
- Sozialverbände und Beratungsstellen: Große Sozialverbände wie der Sozialverband VdK oder Sozialverband Deutschland (SoVD), die Caritas oder Diakonie bieten ebenfalls Sozialberatung an. Dort kann man sich z.B. bei Widersprüchen gegen Bescheide, Ausfüllen von Anträgen oder Fragen zum Schwerbehindertenausweis unterstützen lassen. Für gesetzliche Fragen stehen teils auch Unabhängige Teilhabeberatungsstellen (EUTB) zur Verfügung, die speziell Menschen mit Behinderung und ihren Familien beraten (finanziert vom Bund).
- Ämter und Behörden: Die Jugendämter (insbesondere die Frühen Hilfen und die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder) oder die Sozialämter (für Eingliederungshilfe bei körperlicher/geistiger Behinderung, sofern Leistungen nicht von Jugendamt oder anderer Stelle kommen) sind wichtige Ansprechpartner. Viele Kommunen haben Behindertenbeauftragte oder Familienbüros, die lotsen können. Auch die Integrationsfachdienste (für schulische und berufliche Integration) können beraten, sobald das Kind ins entsprechende Alter kommt.
Neben diesen Anlaufstellen gibt es natürlich auch ärztliche und therapeutische Begleitung, die bei der Koordination helfen kann – etwa der Kinderarzt, der Empfehlungen für eine Pflegestufe oder Gutachten gibt, oder Kliniken, die Sozialdienste für den Übergang nach Hause haben.
Fazit: Kein Elternteil steht mit einem pflegebedürftigen Kind allein da. Es besteht ein dichtes Netz an rechtlichen Ansprüchen und Hilfsangeboten. Zwar muss man sich durch einiges an Bürokratie arbeiten, doch die sozialen Sicherungssysteme – von Pflegeversicherung über Krankenkasse bis zu Teilhabeleistungen – stellen finanzielle Unterstützung, Sachleistungen und Freistellungen bereit, um die Familie zu entlasten. Nutzen Sie die Beratungsangebote, um alle Leistungen auszuschöpfen, die Ihrem Kind zustehen. Mit der richtigen Hilfe lassen sich Pflege, Förderung und Familienleben deutlich besser vereinbaren. Jede Familie hat das Recht auf Unterstützung – zögern Sie nicht, diese auch in Anspruch zu nehmen.
Quellen: Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Bundesagentur für Arbeit, gesund.bund.de (Gesundheitsportal), Verbraucherzentrale, Sozialverbände. Die konkreten Rechtsgrundlagen finden sich im SGB V, SGB VIII, SGB IX, SGB XI sowie im PflegeZG/FPfZG.